25. August 2022

Fang bei Hestia an!

Autor/-in unbekannt, CC0,
via Wikimedia Commons

 

So lautet ein griechisches Sprichwort. 

 

Nur wer weiss ausser den Griechen heute noch, wer Hestia ist? 


 

Willlkommen im Monat September. Seine Zeitqualität ist dem Symbol derr Jungfrau zugeordnet. Jeder Zyklus der Zeit lässt sich in 12 Segmente teilen, die jedes eine bestimmte Energiequalität tragen. Ohne den ersten, antreibenden Initialimpuls beginnt kein lebendiger Prozess. Dann wird aus einer Idee Realität, die sich zu bekörpern beginnt. So geht es in 12 Stufen weiter, über den Höhepunkt zum allmählichen Zerfall. Wenn ein Prozess zu Ende ging, kehrt man die Überreste zusammen, lernt aus den Fehlern, um dann, wenn die Zeit reif ist, neu zu beginnen...

Wenn wir heute Jungfrau hören, denken wir nahezu ausschliesslich an Sexualität, bzw. die kindlich-unschuldige Zeit vor dem Erwachen der Sexualität. Mit der Symbolik der jungfräulichen Göttin hat das recht wenig gemeinsam. 

Die Energie der Jungfrau spüren wir viel mehr im Alltag unbewusst, sobald uns schmerzlich bewusst wird, dass wir den Alltag nicht gebacken bekommen, bzw. die Dinge nicht verdaut bekommen. Verdauen bedeutet die Magie der Verwandlung. Es ist der Prozess der Alchemie im profanen Alltag, mit  der wir uns fremde Energie einverleiben und uns zu eigen machen. Das Korn, dass die große Mutter Erde uns mit der Ernte im Juli/August geschenkt hat, muss nun verarbeitet werden.

Ohne sich die Hände schmutzig zu machen geht es nicht, wir müssen schon handfest zupacken. Die Wandlung vom klitschigen Teig zum Laib geschieht dann in der  Glut des Gebärmutter-ähnlichen Ofens. Wie beim Backen braucht auch Verdauung von allem das rechte Mass und eine gute Beobachtungsgabe für den richtigen Zeitpunkt. Auch Magen und Darm brauchen genug Wärme, damit die Nahrung aufgeschlossen werden kann.

Das heilige Herdfeuer wurde in allen Kulturen gut gehütet. Hestia ist gut verborgen hinter dem Begriff der  "jungfräulichen Göttin". Ihre Priesterinnen waren einst hochgeachtet.  Solch wichtige Aufgabe konnte nur übernehmen, wer nicht abhängig von anderen war. Das ist die eigentliche Bedeutung von jungfräulich. 

Die gewöhnlichen Menschen sind abhängig, als Kind vom Vater, den Eltern, später vom Partner, den Kindern, vom Job, etc. Der göttliche Teil in uns, in Mann wie Frau, fordert uns auf, erwachsen und unabhängig zu werden. Wir müssen die Erwartungen loslassen, die wir aus dem Elternhaus übernommen haben, statt sie auf unsere Partner und Beziehungen zu projizieren.

Hestia, diese Göttin des antiken Griechenlands galt als so heilig, dass sie sich mit  Statuen nicht würdigen ließ. Auch ihr Name wurde selten niedergeschrieben, weil sie ohnehin allgegenwärtig war. 

Sie war die Hüterin des Allerheiligsten, des Herd- und Opferfeuers von Familie und Staat, das nie verlöschen durfte. Die erste und letzte Opfergabe gebührte stets ihr. Zu olympischen Zeiten wurde ihr noch vor Zeus geopfert.

Doch ist die stille, unscheinbare Hestia als Göttin wesentlich älter als das antike Griechenland. Es kann angenommen werden, dass sie seit jener Zeit  verehrt wurde, als die Menschen das Feuer nicht nur entdeckt, sondern eine zentrale Feuerstelle in ihren Zelten, Höhlen und Behausungen schürten.

Hestia ist die große Schwester, die Älteste der ursprünglichen, zwölf olympischen Götter. Sie gehört zu den jungfräulichen Göttinnen, die niemals der Macht Aphrodites unterlagen. Sie entschloss sich, unvermählt zu bleiben und schwor dies bei Zeus. Der erhörte ihr Flehen und überließ ihr den Ehrenplatz in der Mitte der Gesellschaft. Später hat sie ihren Platz freiwillig an Dionysos abgegeben. Auf dem Olymp war sie ohnehin nicht zu finden, und aus den olympischen Kabalen hielt sie sich stets abseits. 

Hestia gilt als die sanfteste und gütigste Göttin, deswegen hörten ihre Geschwister nur selten auf ihren Rat. Doch den Menschen war sie allgegenwärtig. Gemeinsam mit Hermes, dem Hüter der Türen und Tore, übernahm sie die wichtige Aufgabe, das Heim der Menschen und Städte zu schützen. Sie repräsentieren die archetypischen Ideen von Seele und Geist. Hermes ist der Geist, der die Seele begeistert und entflammt. Vor der Hausschwelle wacht Hermes mit seiner phallischen Säule, als Symbol der Fruchtbarkeit und des Windes, der das Feuer anfacht.

Im Inneren residiert Hestia im runden Herd, verbreitet wohlige Wärme, schenkt Nahrung und Segen. In dieser Aufgabe, den heimischen Frieden zu bewahren, geht sie ganz auf und widmet sich in aller Ruhe mit Hingabe der Kontemplation. Sie beherrscht jeden Ort ohne zu herrschen. Ihr Dienst geschieht im Hintergrund.

Sie ist der Archetyp der inneren Zentrierung,  geerdet, der ruhige Pol inmitten des Alltagstrubels. Ihr Symbol, der Kreis des runden Herdes, ist das Mandala, der Kreis des WuJi, der Ganzheit. 

Eine  lesenswerte Quelle ist "Die Göttin in jeder Frau"  von Jean Shinoda Bolen. Dieser Klassiker der jungschen Psychologin ist eindeutig geprägt vom Charme des Feminismus der Alt-68ger-Generation. Dennoch hat dieses Buch nichts an Aktualität verloren, sicherlich keine leichte Lektüre, sondern zum Zähne-Ausbeissen und An-Sich-Arbeiten.