27. Oktober 2020

Verschoben und via Skype

 

Aufgrund der massiv gestiegenen Infektionszahlen findet das Wochenende erst Ende November und via Skype statt. Damit entfällt die ursprüngliche Teilnehmerbegrenzung. Wer mitmachen möchte, ist herzlich willkommen, mit und ohne Qi Gong-Erfahrungen:

Mit dem Herbst merken wir, wie Licht und Wärme von Tag zu Tag schwinden. Die dunkle und kalte Jahreszeit nähert sich. Unser innerer Krieger braucht Schutz, Ruhe und Wärme im Inneren. Das Immunsystem stärken ist der moderne Ausdruck hierfür. Dann können auch wir über Winter gut regenerieren. 

Um gerade zu diesen Zeiten gut in und durch den Winter zu kommen, werden wir  gemeinsam über diese drei Tage ein intensives Rundum-Wohlfühl-Winter-Programm erarbeiten, das aus Ernährung, Immunstärkung, aus stillen und bewegten Qi Gong-Übungen besteht. 

Voraussetzung ist ein internetfähiges Gerät (mit Lautsprechern oder kabellosen Kopfhörern, Kamera ist nicht zwingend erforderlich) mit installiertem Skype. (Diese App gibt es kostenlos.) Bei der Anmeldung mir bitte die email-Adresse mitteilen, die für den Skype-Account verwendet wird. Und es sollte die Möglichkeit geben, in diesem Raum für 2 Stunden ungestört üben zu können.

Die Kosten betragen 100,-€/Teilnehmer
(incl. ausführlicher schriftlicher Unterlagen)

Die verbindliche Einladung zur Teilnahme
erfolgt nach Zahlung der Teilnahmegebühr
in Absprache mit mir vorab.

Freitag, 27. November 2020 19 - 21h

Hauptthema wird Ernährung für den Winter (und fürs Wochenende). Es gibt ausführliche Anleitungen, Rezepte und einen Einkaufsplan, nach dem jeder Teilnehmer für sich an diesem Wochenende kochen kann. Wir lernen, wie wir mit ausgewählten Lebensmitteln unser Immunsystem über Winter fördern.

Samstag, 28. November 15-17h

Schwerpunkt werden Qi Gong-Übungen, um unseren Körper geschmeidig zu halten und ihn dennoch regenerieren zu lassen. Die Wirbelsäulen-Übungen gleichen das viele Sitzen im Winter aus.

Sonntag, 29. November 10-12h

Wir üben und wiederholen, damit jeder über den Winter für sich weiterüben kann. Tips für starke Immunkraft ergänzen.


21. Oktober 2020

Jede kleine Entscheidung zählt:

 

Isabella Eckerle, die Leiterin des Zentrums für Viruserkrankungen an der Universität Genf ist Expertin für neuartige Viren wie Sars-CoV-2. In einem Gastbeitrag der "Zeit" hat sie geschildert, welche kleinen Alltagsentscheidungen sie ganz konkret trifft. Hier der link zum Artikel. Im Folgenden eine Kurzzusammenfassung.

Es spielt keine Rolle, ob wir bei all den politischen Regeln noch durchblicken. Im Angesicht der europaweiten zweiten Welle sind wir nun alle gefordert, uns selbst ein Stück weit zurückzunehmen, um diese Pandemie einzudämmen. Dies nimmt nicht die Politik aus der Verantwortung, jetzt ebenfalls effektive Sofortmaßnahmen zu ergreifen – aber ebenso wenig können und sollten die täglichen Alltagsentscheidungen bis ins letzte Detail von Vorgaben reguliert werden. 

Wir sind dem Erreger Sars-Coronavirus-2 nicht schutzlos ausgeliefert. Nicht eine höhere Naturgewalt ist für die steigenden Infektionszahlen verantwortlich, sondern wir alle sind ein Teil dieser zweiten Welle. 

Denn das Virus braucht immer einen Wirt, um zu überleben und sich zu vermehren. Es ist auf eine kontinuierliche Weiterübertragung angewiesen. Nur wenn es immer wieder von einem Menschen zum anderen überspringt, bleiben Infektionsketten aufrechterhalten. Sobald ein Infizierter in der hochinfektiösen Phase niemand anderem nahekommt, bricht die Infektionskette ab und das Virus verschwindet in dieser Sackgasse.

Mit kleinen, klugen und vorausschauenden Entscheidungen können wir eine akzeptable Balance zwischen Infektionsschutz und Lebensqualität finden – dies sollte für die allermeisten für eine begrenzte Zeit tragbar sein. Es ist sehr sinnvoll,

  • Abstand zu halten
    (1.5m sind übrigens der MINDESTabstand mit Maske!)
  • Hände zu waschen
  • Maske zu tragen,
    sobald wir Menschen begegnen,
    mit denen wir nicht zusammenwohnen
  • gut zu lüften
  • Menschenansammlungen zu meiden

Entscheidend ist jetzt auch, wie wir diese Empfehlungen ganz konkret in unser Leben integrieren. Die Summe der vielen kleinen Alltagsentscheidungen jedes Einzelnen bestimmt, ob wir die Infektionsketten unterbrechen können oder immer tiefer in die zweite Welle schlittern. 

Nicht alles davon ist in jeder Situation, für jeden, zu jeder Zeit möglich. Niemand muss perfekt sein, und manch Uneinsichtigen wird man nicht überzeugen – dennoch: 

Jeder sollte jetzt tun, was er kann, um in der Summe das Infektionsrisiko stark zu verringern. Es kann auf Kleinigkeiten ankommen: Auf den einen Tag im Homeoffice, die eine abgesagte Party oder genau den einen ausgelassenen Restaurantbesuch, der womöglich eine neue Infektionskette hätte anstoßen können, die nun nicht entsteht.

 Sie schlägt pragmatische Verhaltensweisen vor, z.B.

  • Freunde treffen beim Spaziergang statt in der Kneipe
  • Wenige Menschen zugleich treffen, am besten draussen miteinander spazierengehen zum klönen
  • So oft wie möglich raus aus beheizten Räumen, frische Luft fürs Immunsystem
  • Auf den besuch in Sportstätten mit vielen Menschen verzichten, stattdessen besser einen ausgiebigen Spaziergang machen oder allein zuhauseüben, wenn möglich.
  • Im Zweifel absagen, ob private oder geschäftliche Termine

Und sie erinnert uns daran, dass wir uns durchaus jetzt schon mit der Planung für Weihnachten beschäftigen sollten. Es ist nicht zu früh, jetzt schon über Weihnachten zu sprechen – was in diesem Jahr kein normales Fest sein wird.

Die Absicht bewegt das Qi (II)

Null, Nichts — Der Anfang von Allem

Also zurück zum Ursprung. Dem sind wir am Anfang schon begegnet. Yuan bedeutet im Chinesischen z.B. Einleitung eines Vortrages oder Vorwort eines Buches. Die tiefste Bedeutung ist jedoch, dass eine Beziehung aus einem bestimmten Grund geschieht. Alles ist mit allem in diesem Universum verbunden. Es ist also weit mehr als Zufall, wenn Menschen einander treffen. Es ist Yuan, der Ursprung. 
Es ist kein Zufall, dass Du, lieber Leser, hier bist: 

Es entstand ein Impuls, der zu Existenz führt. Er setzt etwas in Bewegung, Qi. 
Wir entscheiden uns, erheben uns und handeln. Ohne Bewegung geschieht nichts. 
Wissen oder eine Idee ist nur das Samenkorn. Das ist Yuan. 
Es braucht Erde, Wasser und Sonne, um zu wachsen. Es braucht die richtige Umgebung zur rechten Zeit, die das Wachstum erst ermöglicht. Das ist Qi. Yuan und Qi sind der Grund für die Existenz von allem. 

So wie die Existenz dieses Blogs nur eine Einladung war, nur ein Teil, Yuan; 
erst durch Qi, durch Strom, eine funktionierende Datenleitung, Server, Neugier, durch Lesen, erreichen diese Worte Dich. 
Fehlt auch nur ein Faktor, eine Bedingung oder eine Bewegung, ist weiterhin Leere, Nichts, keine Existenz. 

Die Welt wurde erschaffen, weil die Bedingungen hierfür existierten und miteinander wechselwirkten. Yuanqi ist in Summe der Grund für alles, was geschieht. 

Das bedeutet jedoch auch umgekehrt, dass in Allem auch das Potential des Scheiterns steckt. Das Glas neben mir existiert als Trinkgefäss. Lasse ich es fallen, zerspringt es irreversibel in 10000 Stücke. 
In seiner Funktion ist es nun sinnentleert, gescheitert. Wir können das Zerbrechen nicht ungeschehen machen. Ein Hindernis in der Datenverarbeitung, Stromausfall — und Dein Bildschirm wäre jetzt irreversibel leer. 

D.h. die Natur der Existenz ist nichts anderes als ultimative Leere. Ähnlich wie Materie tatsächlich viel mehr Nichts ist, als wir uns vorstellen können… 

Der Fluss des Ming

Üblicherweise wird Ming meist als Schicksal oder Bestimmung übersetzt, 
als sehr gewagte Übersetzungen… Ming ist vielmehr die Natur des Verlaufs unserer Existenz mit allen Ereignissen, die im Laufe dieser Zeit-linie geschehen. Ming ist die Bewegung des Qi, von Geburt zum Tod. Ming ist die Natur des An- und Abschwellens von Energien und Ereignisse an Hochs und Tiefs, denen wir im Laufe der Zeit begegnen. Ming ist die stete Veränderung des Qi über fünf Stadien, von Schöpfung, Wachstum, Blütezeit, Verfall und Tod. Die KCM bezeichnet diese als Wandlungsphasen.


Ob der Wechsel und Wandel, die Ereignisse uns leicht— oder eher schwerfallen, hängt davon ab, wie gut wir uns dem Ming im natürlichen Fluss des Lebens hingeben. Solange wir uns dem widersetzen, was wir erleben, wird es uns schwerfallen. Solange kämpfen wir gegen unsere eigene Lebensenergie, gegen den Fluss des Lebens, den Weg des Dao, gegen das Prinzip des „Dein Wille geschehe“.

Es ist also weder die Technik, die Nadel oder die Droge, die unsere Patienten heilt. 
Was dann?

Der Weise Sun Si Miao erklärte im 7. Jahrhundert: “Wer keine Kenntnisse über die Wissenschaft des Wandels besitzt, 
kann auch nicht als meisterlicher Arzt bezeichnet werden”. Der berühmte Arzt Zhang Jingyue, prägte 1000 Jahre später den berühmten Ausspruch: 

"Korrekte Medizin basiert vollkommen auf der Wissenschaft des Yijing."

KCM ist nichts anderes als die Verschmelzung von daoistischer mit konfuzianischer Lehre auf dem Fundament des Yijing:. Dieser Klassiker der Wandlungen ist der älteste aller chinesischen Texte, 
dessen Entstehungszeit heute bis ins 3. Jahrtausend VOR Chr. datiert wird. 
Doch lange bevor das Yijing je als Buch geschrieben war, lang bevor es überhaupt eine Symbolschrift gab, existierte die Philosophie von Yin und Yang bereits als numerologisches System. 

Das Buch der Wandlungen beschreibt dieses Modell der universellen Veränderungen von Yin und Yang anhand des Gesetzes der unendlichen Wiederholungen in der Natur. Sein Fundament ist die systematische, naturwissenschaftliche Beobachtung der Natur, des Laufs der Sonne, des Mondes, der Verlauf der Jahreszeiten, etc.

Der ursprüngliche Zweck des Yijing war weit weniger, als Orakelbuch zu dienen, wie heute oft erklärt wird. Vielmehr ist seine Aufgabe heute wie damals: das Schulen der Wu, wie sie die Aufmerksamkeit des Patienten dirigieren können. Wie die Wu einst, könnten wir auch heute für unsere Patienten aus den archetypischen Mythen die entsprechenden heilenden Geschichten erzählen, und diese Energiequalitäten zugleich mithilfe unseren Techniken, Nadeln und Kräutern in die KörperGeistSeelenLandschaft einweben. 

Das ist z.B. der Grund, warum die Akupunkturpunkte original sehr poetische Namen tragen. So soll z.B. Ma 28 v.a. ganz profan die Wasserwege durchlässig machen. Übersetzen wir Shui Dao mit „Folge dem Lauf des Wassers, folge dem Dao wie Wasser fliesst!“ — ist das eine ganz andere Aufforderung!

Denn: 
Wohin die Aufmerksamkeit geht, folgt das Qi!

Mittels Gong, der Absicht lehren wir den Patienten voller Geduld (lateinisch: patiencia!) im Ritual der Behandlung, 
wie er seine eigene Aufmerksamkeit auf das Symptom richtet, d.h. auf die Blockade des Qi. 
Das ist ein völlig anderer Ansatz, als in seinem Auftrag mal eben ein Symptom „wegzuzaubern“!

Durch Gong, Hingabe, Disziplin und Training, muss auch der Patient lernen,
selbst seine Aufmerksamkeit auf die Blockade auszurichten. 
Dann folgt sein Qi und bringt Bewegung in die Stagnation. 
In diesen Bereich fliesst immer mehr Qi, bis irgendwann genug Energie da ist, um die Blockade zu lösen. Die Symptome werden eines Tages vielleicht sogar überflüssig. 
Und die Wu bezeugt diesen Prozess und steht ihm hilfreich zur Seite.

So lehren wir unsere Patienten, sich wieder mehr und mehr dem Fluss des Ming hinzugeben. Techniken und Heilmittel sind also nur die Ermutigung in die Wasser des Lebens zu springen… — wie Schwimmflügelchen!

Das Netz der Leere, das keinen Weber hat

Für die alten Chinesen besteht unser Universum aus einem unsichtbaren Netz, dessen Fäden alles miteinander verbindet. Lao Zi beschreibt es als unermesslich gewaltiges Gewebe, durch dessen Verknüpfungen dennoch nichts hindurch fällt. Im Schöpfungsmoment haben sich aus der chaotischen Einheit verschiedene Qualitäten an Qi begonnen zu trennen. Das leichte, immaterielle Qi stieg einst auf und bildet den Himmel. Das materielle, dichte, schwere Qi sank herab und bildet die Erde.

Die Wechselwirkungen zwischen Himmel und Erde bringen die 10 000 Dinge dazwischen hervor. 
Alles Existierende stammt aus der Bewegung des Qi und ist durch Qi miteinander verbunden. 

Qi erzeugt Bewegung, Wechsel und Wandel. 
Qi prägt den Manifestationen spezifische Qualitäten und Aspekte auf 
und drückt darüber zugleich auch beliebige Zeitdauer aus.
Z.B. durch meine emotionale Aufregung entsteht Gestik/Mimik durch Muskelanspannung, 
und der damit verbundene Chemikaliencocktail bestimmt die Qualität von Herzschlag, Atmung etc…

Analog zum hermeneutischen „wie oben, so unten“ ist das Verstehen der Prinzipien des Yijing ein Weg, um unsere Organismen zu verstehen, weil der menschliche Körper Teil des Universums ist. Darüber hinaus lassen sich diese Prinzipien praktisch anwenden, um für den Patienten auch den individuell richtigen Weg zu finden, um entweder Krankheit zu vermeiden oder eine Erkrankung zu überwinden. 

Die schamanische Perspektive der Wu sieht den menschlichen Organismus als energetisches System, das aus Sub-Systemen gebildet wird. Jedes entspricht definierten Qualität, die ihrerseits aus Yin und Yang in einer bestimmten Verhältnis besteht. Gerät ein Untersystem ausser Balance, hat das wiederum Wechselwirkung auf die anderen, mit denen es verbunden ist. 

Mit dieser Beschreibung des Organismus aus antiker Zeit schimmert die moderne Sichtweise der Systemtheorie durch, die dynamische Systeme mit vielen, nichtlinear voneinander abhängigen Variablen als Funktionen von Zeit und Ort beschreibt. Wenden wir uns wieder dem Qi als beobachtbares Phänomen zu im reinsten Sinne von Naturwissenschaft: 

Da sein. Beobachten, was geschieht 

— selbst wenn es paradox, oder unerklärlich scheint, 
sich nicht messen oder gar in Gleichungen beschreiben lässt! Aufmerksamkeit ist auch die Basis der Diagnostik in allen alten asiatischen Medizinsystemen. Der Therapeut "macht keine Untersuchung", sondern wartet, lauert, beobachtet mit wachen Sinnen, was an Information vom Patienten kommt.

Und tatsächlich klingen viele Aussagen der modernen Physik verdächtig ähnlich wie die Zitaten aus den uralten Klassikern der chinesischen Medizin. Formulieren wir es doch modern: 

Es spannt sich ein Qi-Feld zwischen Himmel und Erde auf. 
Qi ist definitiv eine Funktion von Ort und Zeit. 
Dieses Feld kann sogar ein eigenständiges physikalisches Phänomen sein 
und ist nicht an Materie gebunden, kann aber auch wie Teilchen verhalten.. 
In einem solchen Feld entsteht zwischen Orten mit unterschiedlichem Qi eine gerichtete Kraft, 
die Arbeit verrichten kann, z.B. Qi, das eine lokale Stagnation beseitigt. 
Der Physiker bezeichnet diese Fähigkeit als Potential, 
so wie wir die Bewegung des Windes wir erst nutzen können, wenn wir ein Windrad haben.

Eindeutig: Bewegung, Lebensenergie, die innere Medizin, Shen...

— alles, sogar Materie, ist Qi!


Die Absicht bewegt das Qi (I)

Im ersten Teil haben wir eine Antwort gesucht auf die Frage, was mit Aufmerksamkeit/Absicht gemeint ist. Nun stellt sich die Frage:

Was ist Qi?

Qi ist ein zentraler Begriff in der chinesischen Medizin und Philosophie. Um dafür eine solide Idee zu bekommen, müssen wir in der Zeit weit zurückwandern. Die wörtliche Übersetzung eines chinesischen Sprichwortes lautet:        

„Schamane (Wu) — Arzt: derselbe Ursprung“. 

Die Wu sind der Ursprung aller chinesischer Medizin-Tradition. Tatsächlich stammen die klassische chinesische Medizin (KCM) und der chinesische Schamanismus zu weiten Teilen aus demselben Ursprung (Yuan). Auch wenn sich Wu mit Schamane, Schamanismus, Schamanisieren übersetzen lässt, ist unser heutiges Verständnis für die mit diesem Wort ausgedrückte Symbolik eine ganz andere, als sie dem Kontext dieses chinesischen Satzes zugrunde liegt:

Denken wir heute an Schamanen, haben wir die Bilder aus heutiger Zeit im Kopf. Die sind vor allem durch den meist sibirischen Schamanismus geprägt. Dort wird bis heute eine religiöse, oftmals sehr aggressive Form des Schamanismus praktiziert mit spirituellen Reisen in andere Welten in Trance. Der Schamane wird meist durch eine schwierige und oft schmerzhaft-lebensbedrohliche Initiation berufen. 

Die Wu der ostasiatischen Tradition verstehen sich dagegen eher als Zeugen und spirituelle Medien, die ihren eigenen Körper als medizinisches Instrument zur Diagnose und zum Heilen nutzen. 

Die Fähigkeiten als Wu entwickeln sich auf natürliche Weise. Sie werden durch regelmässiges Üben und in Ritualen allmählich immer weiter verfeinert, bis die Wu eines Tages in der Lage ist, die geistigen Welten (Shen) rufen zu können. Diese höhere Kraft bezeichnet die chinesische Philosophie als Shen, in etwa Bewusstsein, geistige Welten, Spirit, göttliche Allmacht, und auch Lebensenergie ( auch Qi!)

Wu und Patient kehren zu ihrem ursprünglichen Selbst zurück, in dem sie sich freudig dieser höheren Macht hingeben und so Körper, Geist und Seele wieder verbinden. Die Wu begleiten und unterstützen ihren Patienten dabei durch Freude, Ekstase. Das ermöglicht dem Patienten sich selbst mit der eigenen, fühlbaren Freiheit zu verbinden statt in Ohnmacht zu verharren. 

Durch das Ritual wird ihm möglich, ausreichend Energie zu entwickeln, um Hindernisse zu überwinden. Plötzlich ist das Leben nicht länger mehr Leiden, sondern auch wieder die Erfahrung von Glück.

Die geistigen Welten behausen schliesslich den Körper und drücken sich durch den Menschen aus. Es ist der Ausdruck, der sich in den Augen zeigt: als lebendiger Glanz oder toter Blick? 

Dazu gehört eine Medizin, die mehr ist als das Verordnen von materiellen Drogen. Die Wu sind weniger daran interessiert eine Krankheit zu heilen, sondern wollen eher unsere hilflose Ohnmacht und Abhängigkeit umzuwandeln. 

Dann können wir selbst wieder Verantwortung für uns und andere übernehmen. Die Wu wollen die Menschen ermutigen, dass sie selbst die Fähigkeit besitzen, ihre eigene, innere Medizin (Qi) zu entwickeln. Das ist der ursprüngliche Weg der Wu.

Gongfu, durch geduldiges Üben erreicht man Meisterschaft

Eine Wu ist letztlich eine Person, die durch Gong Meisterschaft erlangt hat. 
Gong lässt sich in etwa übersetzen mit Aufmerksamkeit, Hingabe, steter Disziplin und hartem Training auf korrekte Art und Weise. Wir kennen diese charakteristische Eigenschaft auch durch die Begriffe Qi Gong und Gong Fu, als moderne Synonyme für die Bewegungsformen und Kampfkunst. Der Begriff ist jedoch keineswegs darauf beschränkt. 

Der Begriff Gong beschreibt vielmehr die Qualität und das Niveau, das jemand mit seiner Fertigkeit auf beliebigem Gebiet erreicht, z.B. in der Technik des Klavierspiels, als aufmerksamer Zuhörer, beim Setzender Akupunkturnadel.

In den klassischen Lehrbüchern der KCM, die ca. 300 v. Chr. entstanden, wird das Zeichen Gong direkt als Begriff für Arzt verwendet. Aufgrund ihrer hingebungsvollen, geschulten, verfeinerten Beobachtungsgabe mittels ihrer Sinne und des eigenen Körpers und ihrer engen Verbundenheit mit dem Universum wird es den Wu möglich, Schaden abzuwenden; bei Bedarf für für den Organismus ihres Patienten, aber auch für die Umgebung. Im Klassiker der chin. Pharmakologie heisst es in der Einleitung:       

  • Yi, Ärzte, behandeln Krankheiten
    mit der Medizin der gewöhnlichen Art.

  • Fang Shi, Lehrer der Methoden, behandeln Krankheitsneigungen
    mit Medizin der mittleren Ebene.

  • Wu, Schamanen, behandeln die Bestimmung
    mittels Medizin der höchsten Klasse.

Bestimmung steht als das höchste Ziel in der Hierarchie des medizinischen Handelns. Solch Maxime steht in der Einleitung eines Lehrbuches zur Anwendung von materiellen Kräutern. Dies zeigt uns, wie energetisch-feinstofflich die KCM selbst in ihrer substanziellsten Anwendungsform mittels Kräuterrezepturen ist. 

Dabei geht es immer um die Umkehrung der Pathologie weg vom Symptom hin zur Entwicklung des Potentials des Patienten. Es geht darum, den Patienten hinter der Maske seiner Person zu erkennen. 

Die Erkrankung ist die Herausforderung an uns, das verborgene Potential zu entdecken, damit unser Patient seine wahren Wesensanteile ausleben kann. Die Aufgabe lautet in einem Lehrsatz etwas mysteriös: „Zeige mir Dein Gesicht vor Deiner Eltern Geburt!“

Meditation ohne Gong, ohne Aufmerksamkeit auf Qi, ist nur Tagträumerei. 
Akupunktur ohne Aufmerksamkeit auf Qi ist Nadelstecherei. 
Körperübungen wie QiGong, Yoga ohne Aufmerksamkeit auf Qi sind Hampelei, im besten Falle Fitness.
Sie alle basieren auf dem Begriff des Qi. 
Doch genau den können wir nur sehr ungenau übersetzen, noch schwerer wirklich verstehen. 
Wir haben bisher Qi mit Bewegung, Lebensenergie gleichgesetzt. 


Die Welt der Zahlen, Symbole und Rituale

Ursprünglich beschränkte sich die Funktion der chinesischen Schriftzeichen keineswegs nur auf die Kommunikation zwischen den Menschen. Numerologie, Symbolik und Ritual sind untrennbar miteinander verbunden.

Die chinesische Medizin ist Zang Xiang,

Medizin der Körper-, Geist- und Seelen-Symbole!

Eine Unterscheidung in Körper, Geist, Seele, Psyche gibt es dort per se nicht. Wir können wie viele westliche Autoren versuchen, die Terminologie in verständliche westliche Konzepte zu transferieren. Besser ist, die chinesische Symbolik zu verstehen, statt zu versuchen, ein System über ein anderes System zu stülpen. Das führt unausweichlich zu Verwirrung!
 Deswegen hat schon der alte Konfuzius gelehrt: Zuerst Begriffe klären, bevor man handelt!

Berücksichtigen wir, dass selbst bekannte Begriffe wie Akupunktur und „Leitbahn“ Worte ist, die so nie von den Chinesen verwendet wurden, weder als Begriff noch als Konzept! Wir brauchen also andere Beschreibungen, die uns weniger von der Einheit des Lebens abtrennen. 

Nehmen wir die chinesische Sichtweise ein, ist alles Teil der Medizin, bzw. Medizin ein Teil von Allem. Dann bedeutet Medizin Umgang mit dem Leben in einem menschlichen Körper! Der Therapeut, der einen Patienten behandelt, ist nur ein Leben, das ein anderes Leben berührt. 

Der traditionelle Weg, die Begriffe verstehen zu lernen, erfolgt über die Beobachtung der Natur. Beobachten wir die sehr präsenten Lichter am Himmel mit ihren Veränderungen. Die Sonne entspricht dem Yang-Prinzip, der Mond dem Yin-Prinzip. Der Mond reflektiert das Licht der Sonne. Verstehen wir den Wechsel und Wandel des Mondes, lernen wir auch die Sonne kennen. 

Nur begegnen wir jetzt einem Problem unserer Zeit: 
wir haben nämlich keine Zeit mehr, 
um die nächsten Nächte, über Wochen, Monate und Jahre die Natur zu beobachten… 

Doch Qi lässt sich nicht ohne Verständnis von Yin und Yang verstehen. 
Yin und Yang verstehen wir aber nur, wenn wir bei Nichts beginnen. 

(In einem weiteren Artikel...)


16. Oktober 2020

Yi Zhe Yi Ye: Medizin ist Absicht


Es existiert ein grundlegender Lehrsatz in allen ostasiatischen Medizinsystemen, deren Ursprung im antiken China liegt. All die Therapieformen fallen hierunter, die Begriffe wie Qi oder Leitbahn verwenden, und auch die asiatischen Trainingsformen der Kampfkünste zur Selbstschulung, Gesundheitserhaltung und Meditation:

Medizin ist Absicht, die Aufmerksamkeit führt Qi.  

Doch:

  1. Was bedeutet Aufmerksamkeit (chin. Gong)
    — wessen Aufmerksamkeit und worauf?
  2. Was ist Qi?

Fangen wir mit der ersten Frage an:

Was bedeutet Aufmerksamkeit?

„Wie geht es Ihnen heute?“ 
So starten wir doch meist unserere Gespräche, nicht nur zwischen Patient und Therapeut. Daraufhin formuliert Gegenüber meist sein Leben, Leiden, seine Symptome. Vielleicht gibt es sogar schon ein konkretes Anliegen oder einen Wunsch. Fast immer soll sich etwas zum Besseren verändern. 

Aus Sicht der daoistischen Heilkunst bedeutet Heilung immer Veränderung, Wechsel, Wandel, Transformation. Etwas muss sich verändern. Doch was nur? 

Denn meist gibt es gar nicht die eine Ursache für ein Symptom oder eine Erkrankung. Meist sind es viele kleine Faktoren, die sich im Laufe der Zeit potenzieren, bis das Fass voll ist, und es zur Bildung von Symptom, Schmerz und Krankheit kommt. Damit stellt sich für jede Behandlung die zentrale Frage: Was braucht es hier und jetzt zur Veränderung? Das lenkt unsere Aufmerksamkeit schon wesentlich weiter als das übliche: „Was können Sie für mich tun?“ 

An dieser Stelle müssen wir die Klassische Chinesische Medizin (KCM) von der modernen TCM (paradoxerweise als Traditionelle Chinesische Medizin bezeichnet ) klar unterscheiden:

TCM ist ein unter Mao Zedong in den 1950gern geschaffenes Medizinsystem, politisch konform und unter staatlicher Kontrolle. Dabei wurden die philosophisch-spirituellen Grundideen und alle nicht sozialistisch kompatible Denkweisen wegrationalisiert. Heute strebt die VR die Patentierung der „TCM“ an‚ denn es ist ein wichtiger Exportfaktor. Durch die Ausrichtung auf materiell-nachweisbare Konzepte, Kräuterheilkunde als Schwerpunkt und der Untermauerung der Medizin durch empirische Statistik lässt es sich perfekt in den Westen vermarkten. Die TCM negiert dabei die ausgesprochen energetischen und individuellen Grundlagen ihrer Klassiker, die wir heute im Fokus haben.

In sehr ähnlicher Weise negiert die westliche, moderne Medizin die bahnbrechenden Erkenntnisse der modernen Physik: 

Die moderne Physik ist der Ansicht, dass das Universum wie die greifbare Materie statt aus Partikeln aus Feldern besteht, die sich manchmal paradoxerweise wie Teilchen verhalten können 
— was ist schon ein Festkörper?   Der Physiker Art Hobson (Department of Physics, University of Arkansas, 2013) schreibt:


Es gibt keine Teilchen, es gibt nur Felder. Das Feld für ein Elektron ist das Elektron; jedes Elektron […] breitet sich als Gesamtmuster aus. Die Quantenphysik handelt von den Wechselwirkungen von mikroskopischen Systemen mit der makroskopischen Welt, anstatt nur von Messungen. Es ist wichtig, diese Tatsache klarzustellen, weil Lehrbücher heute immer noch eine Teilchen- und Messung- orientierte Interpretation lehren und somit zu einer Verwirrung unter den Studenten beitragen und zu einer aufkommenden Pseudowissenschaft in der Öffentlichkeit.

Keine Sorge, wir tauchen keineswegs in einen wilden, populärwissenschaftlichen Quantenmystizismus ab. Wir beobachten nur die Phänomene der Natur objektiv, so wie das Naturwissenschaft im tiefsten Sinne seit jeher fordert. Und Energie ist eine fundamentale physikalische Grösse.

In der Natur wandelt sich die Energie rund um uns zyklisch. Genauso werden auch wir Menschen von den sich ständig wandelnden Energien des Universums durchflossen. Jeder Augenblick des Lebens erfordert von uns, all die Veränderungen hier & jetzt anzuerkennen, die uns sowohl innerlich (Stirb&Werde-Zyklen auf Zellebene, Hormonzyklen etc) wie äusserlich (Jahreszeiten, Wetter, Lauf der Himmelslichter) zur Anpassung auffordern. In der KCM gilt:

Leben heißt Wechsel und Wandel.

Stillstand ist der Tod.

Gesundheit liegt vor, wenn die Bewegungen der Lebensenergie und damit die Körperfunktionen gut ausbalanciert ablaufen können. E-movere, in Bewegung bringen. Das ist, was Gefühle mit unserem Körper machen. Sie lösen unweigerlich eine konkrete, materielle Reaktion in der Körperlichkeit aus.

Eustress beflügelt als Antrieb, solange er nicht das Limit an Belastung übersteigt. Das Leben kann gemeistert werden und die geistige Ausdruckskraft (Shen) entfaltet ihr volles Potential. Dazu gehört untrennbar auch emotionale Balance, damit wir nicht in Emotionalität feststecken.

Bei unseren Patienten ist das spannende Leben jedoch in pathogene Anspannung übergegangen. Es wird meist nicht gut mit der Lebensenergie gehaushaltet. Ungünstige Gewohnheiten (z.B. zuwenig/zuviel/destruktive Bewegung, Essen etc.) stören den Kreislauf der Lebendigkeit, die unser Herz schlagen, das Blut, die Flüssigkeiten und Gedanken zirkulieren lassen.

Gerade wenn der Erkrankungen nicht auf einer akuten, äusseren Verletzung basieren, sondern sich chronifiziert haben oder scheinbar akasusal und plötzlich auftreten, weist dies darauf hin, dass den Ursachen bisher zuwenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Die Frage lautet also: 

Was ist abgeschnitten, eingeklemmt, blockiert, zu unbeweglich im Menschen geworden?

Dann wird schon das Gespräch zur Therapie, der Akupunkteur selbst zur Nadel. 
Im ältesten Standardwerk der CM wird von der Not-wendigen Resonanz gesprochen:
Kommt es zur Resonanz zwischen Patient und Therapeut, wird die Krankheit verschwinden. 
Wird Shen außer Acht gelassen, wird die Krankheit nicht geheilt.

Ein guter Heiler darf sich also nicht nur auf sein Wissen und seine Fähigkeiten (Techniken) verlassen. Er muss über Integrität, Mitgefühl und Aufrichtigkeit (geistige Welten, Shen) verfügen. Die Methodik (Aku, Medis, Kräuter, andere Methoden) sind nur der technische Aspekt.

Symptome, Schmerzen, Leiden werden allgemein als lästige Übel angesehen, 
die es gilt, so schnell wie möglich zu beseitigen. Entwicklungsgeschichtlich gehören aber gerade der Schmerz zu den frühesten, häufigsten und eindrücklichsten Erfahrungen eines jeden Menschen. Schmerz ist überlebenswichtig — trotz allen Leids, das er bewirken kann. Der Körper schlägt durch die hervorgebrachten Symptome Alarm. Wir müssen heute die symbolische Sprache des Körpers erst wieder verstehen lernen:

Für die KCM ist jedes Symptom nur eine „Qi-Blockade“:

Der natürliche Fluss der Lebendigkeit ist gestört und unterbrochen. 
Ein Lebensbereich ist vom lebendigen Wandel abgeschnitten. 
Der Körper möchte den energetischen Engpass wieder durchlässig machen und zeigt dies an. 
Diese Forderung tritt als Symptom oder Schmerz ins Bewusstsein. 
Die Aufgabe des Schmerzes ist es, uns zu warnen, also auf diesen Lebensbereich aufmerksam zu machen.

Unterdrücken wir unsere Gefühle, kommt es genauso zur Qi-Stagnation. 
Deswegen sieht die KCM letztlich die Wurzel aller Erkrankungen im emotional aufgewühlten Herzen.

Ziel der chinesischen Heilkunst: 
den Patienten aus der Blockade wieder in den Strom des Lebens zurück zu (beg)leiten,
 d.h., seiner Lebensenergie wieder zu ermöglichen, frei zu zirkulieren.

Kann Qi frei fliessen, gibt es kein Symptom.

Wo ein Symptom auftritt, da stagniert Qi.

Der Weg etwas zu tun, ist DA zu sein.            

Lao Zi stellte diesen Satz als Behandlungsmaxime auf.
Da sein, sich dort hin zu wenden, wo das Symptom sich zeigt. 
Dies ist der 1. und wichtigste (!) Schritt jeder Therapie — noch lange bevor therapeutische Techniken überhaupt relevant werden. 
In diesem Satz von Lao Zi steckt das Wesentliche des Heilungsgeschehens:

„Gemeinsam mit dem Patienten Da-Sein und Nicht-Tun“.

Je nach Schule und Stil wird die Fähigkeit des Therapeuten zum absichtslosen (Be-)Zeugen, modern sprechen wir von Diagnose, mehr oder weniger geschult. Sie bleibt jedoch der zentrale Aspekt der klassischen Heilkunst. Wir als Therapeut begleiten diesen Da-Sein-Prozess des Patienten 
v.a. durch erfahrene Anwesenheit als Vorbild und als Zeuge.

Als Patient haben wir nicht immer die Wahl der äusseren Umstände oder ob wir das Symptom wollen. 
Wir haben aber immer Wahl, wie wir mit ihm umgehen, 
mit welcher inneren Haltung wir ihm begegnen wollen.

Jedes Symptom braucht zur Heilung zuerst eine neugierig-offene Aufmerksamkeit. Je mehr wir zögern, uns der Themen bewusst zu werden, desto öfter und heftiger wird uns das Symptom solange schmerzlich „auf die Nerven gehen“, bis wir zu Sinnen kommen. Weglaufen ist irgendwann nicht mehr möglich.

Gern suchen wir nach dem Schuldigen für den Schmerz im Materiellen, im Körperlichen, im Aussen. Doch meist gibt es keinen schuldigen Täter, der schnell aus dem Weg geräumt werden kann und alles ist gut. Denn allzu oft spiegelt die scheinbar äussere Ursache nur das innere Thema. Der grösste Gegner, dem wir uns stellen müssen, sind wir selbst. Und das innere Thema wird solange wiederkommen, bis der Patient bereit ist, sich seinem eigenen Schmerz zu stellen!

Not-wendige Voraussetzung für Veränderung (und damit für Heilung) ist die Bereitschaft, einen Raum, ein Energiefeld für Verstehen zu öffnen. Sowohl Therapeut als auch Patient müssen als ersten Schritt lernen, nicht zu Tun, zuzuhören und ganz da zu sein mit allem, was ist:

  • Da sein mit all den Symptomen, dem Schmerz und den Empfindungen, die sich dann zeigen können.
  • Beide müssen lernen, sich selbst, den eigenen Schmerz und alles, was sich zeigt, auszuhalten.
  • Hier, im räumlich geschützten und zeitlich begrenztem Therapiefeld, darf sich jetzt all das zeigen, 
was normalerweise verscheucht und verdrängt wird.

Oft braucht genau das zunächst einiges an Mut und Übung. Es ist, wie wenn man einen wilden Vogel immer wieder vom Balkon verjagt hat. Nun wird er nicht auf Zuruf sofort bereitwillig auf die Hand geflogen kommen…

Vielen Patienten (und Therapeuten?) fällt es schwer, eine Zeitlang ruhig zu sitzen ohne zu Reden, zu liegen im Nicht-Tun. Das ist eine Herausforderung. Meist ist dies weniger bedingt durch körperliche Einschränkung, als vielmehr durch innere Unruhe, Zappeligkeit, Ungeduld.

Und was ist Qi? 
Die Antwort folgt in einem weiteren Artikel...


3. Oktober 2020

Die Herausforderung bis November bestehen

(Teil III von III)

Wie navigierst Du Dich durch die Gezeiten des Lebens,
wenn Du erschöpft bist?

Wie schaffst Du, trotzdem zu erledigen,
was nötig ist, wenn Dein innerer Krieger ausser Dienst ist? 

Wir müssen nun einen anderen Weg finden, um zu reagieren, wenn die Dinge rund um uns zusammenbrechen. In den Rückläufigkeitsphasen müssen wir intelligenter handeln. Die besten Archetypen dafür in uns sind die urweiblichen Energien von Mond und Venus. Dazu eine kleine Übung für diese Zeit:

Übung:
Körperwahrnehmung am Morgen

Der wichtigste Akt, den Mars täglich vollzieht, ist uns aus dem Bett zu treiben. Meist geschieht das unauffällig und unbewusst. Während der Rückläufigkeit wollen wir diesen Akt bewusst zelebrieren:

Bleiben wir noch eine Weile vor dem Aufstehen liegen. Durchwandern wir noch im Bett zunächst unseren Körper mit der Aufmerksamkeit.  Spüren wir auch das Energiefeld rund um uns. Seien wir neugierig und empfangen wir alle Empfindungen und Wahrnehmungen. Jeder Morgen wird für uns eine Nachricht haben. Vielleicht ist sie uns schon bekannt, nichts Neues. Manchmal haben wir das aber noch nie bemerkt. Rückläufigkeiten sind gute Gelegenheiten, in Weisheit zu lernen. 

Vielleicht kannst Du die Nachricht Deines Körpers in Worte fassen, z.B.
„Ich bin noch sooo müde.“,
„Ich hab Hunger, Durst, etc.“,
„Mein Arm (Körperteil XY) schmerzt“

Manchmal finden wir auch keine passenden Worte. Dann spüren wir die Nachricht dennoch. Wir nehmen ihre Bedeutung auf tieferer Ebene auf. Und all das wird einen Unterschied machen, wie wir diesen Tag über funktionieren. 

Lassen wir die empfängliche Göttin in uns zu Tagesbeginn den Krieger in uns für eine Weile in ihrer herzlichen Aufmerksamkeit halten. Nimm Dich die nächsten 80 Tage so jeden Morgen zuerst wahr. Es ist nicht schlimm, wenn wir es mal einen Tag vergessen… Diese aufmerksame Umarmung morgens wird unserem Krieger helfen, sich in dieser Zeit bestmöglich zu regenerieren. Ein anderes Bild hierfür ist, wie unsere innere Mütterlichkeit den jugendlichen Helden beim Wecken liebevoll umfängt, bevor er aus dem Bett springt, bereit für die Abenteuer des kommenden Tages.

Lebendige Archetypen

Statt uns mit Prophezeiungen rumzuplagen, können wir Astrologie effektiver nutzen, um mit Hilfe ihrer Symbolik die Welt rund um uns besser zu verstehen. Die Energie der Archetypen ist eine sehr lebendige Energie, so wie die Götter für die Menschen und Astrologen zu antiken Zeiten lebendig waren. Die Himmelskörper sind eben nicht nur mechanische Objekte, die wieder und wieder dieselben Ereignisse produzieren, wenn sich das Lebensrad dreht. Sie haben eine Mission. Sie sind kreativ und verändern jeden Zyklus immer ein bisschen. Und was immer während dieser Verläufe geschieht, enthält immer eine Nachricht, ein Omen, eine Warnung.

Wollen wir in Harmonie und Frieden leben, ist es unsere Aufgabe, diese Signale zu verstehen — sowohl die Signale unseres eigenen Körpers, wie auch die unserer Umwelt und Natur um uns herum. Um weltliche Ereignisse angemessen zu interpretieren, sollten wir uns anschauen, welcher göttliche Archetyp sich damit zeigt. Nehmen wir all die Wald- und Buschbrände in diesem Herbst weltweit als Beispiel: wenn sie ein Signal von Mars-Energie sind, können wir Details erwarten, die Mars zugeordnet sind. Die Feuer greifen meist rasant und explosiv über (sehr marsisch). Es wimmelt von Feuerwehrleuten, Polizei, Rettungspersonal, Flugstaffeln, alles Mars. Oft liegt vermutlich Brandstiftung (Mars) vor. Die dürre Hitze (Mars) und die Winde waren in den Regionen unvorhersehbar wild und chaotisch. Es war genau das Wetter, vor dem Klimatologen seit Jahren warnen. 

Was will Mars uns lehren?

Vermutlich, dass wir weiterhin unbelehrbar in die Sackgasse rennen, dass die Optionen für eine Umkehr aus der Klimakatastrophe immer geringer werden. Unser Überleben hängt vom Überleben dieses Planeten Erde ab. Und je weiter wir diese Erde mit unserem brutalen, machomässigen maskulinen Machtgehabe (Mars) verwüsten, desto mehr werden wir Klimakatastrophen auch in unserem Umfeld erleben, Überflutungen, Wildfeuer, Tornados selbst in Europa. 

Wir haben lange schon die Eigenschaften der grossen Göttin, des Yin-Poles, zu sehr vernachlässigt. Zum Leben brauchen wir beide Pole, Himmel und Erde, Gott und Göttin, Aktion und Ruhe, Zielgerichtetheit und Empfänglichkeit. Es wird Zeit, dass wir die urweiblichen, rezeptiven Eigenschaften ebenso schätzen lernen wie die maskulin-aktiven. Es wird höchste Zeit, dass wir Eigenschaften wie Fürsorge, Geborgenheit Geben, Pflegen, Versorgen und Nähren wertschätzen lernen.

(Herzlichen Dank wieder an meine Lehrerin Dana Gerhardt mit ihrer website https://mooncircles.com/ — auch dieser Beitrag ist zu grossen Teilen eine Übersetzung ihrer Artikel mit meinen Anpassungen. Sie vermittelt mir mittels der Symbolik der westlichen Astrologie enorm viel Verständnis für die Hintergründe der antiken chinesischen Medizin. Das wiederum hilft,  statt in unverständlichem Fachchinesisch — egal in welcher Sprache — in allgemein verständlichen Worten zu erklären, was mit uns im Leben geschieht. Hier und heute.)




Unsere Herausforderung bis November

 (Teil II von III)

Was passiert, wenn der Krieger keine Ruhe findet?

Athleten sind marsische Krieger. Erinnern wir uns doch an die olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 während der Mars-Rückläufigkeit. Schon vor Beginn sorgte ein georgischer Rodler mit seinem fatalen Unfall für Furore. Bei der Eröffnungszeremonie gelang es dem grossen Wayne Gretzky nicht, das vierte Bein des olympischen Feuerkessels zu entzünden. Statt der erwarteten 5 Goldmedaillen holte sich die weltbeste Skiläuferin mehrere ernsthafte Brüche. Der phänomenale Eisschnellläufer wurde auf dem Weg zu Gold vom Trainer auf die falsche Bahn geleitet und disqualifiziert. 

Stattdessen wurde Curling zum Publikumsliebling: diese Sportart entspricht mit ihrer Ruhe perfekt Mars im Rückzug. Wenn erwachsene Männer brüllend Steine in Richtung Zielkreise anschieben, während die Teamkameraden wie irre das Eis schrubben, ist das auf kuriose Weise sehr beruhigend.

Jetzt, während der 2020 Rückläufigkeit, haben wir alle Gründe, uns vor wildgewordenen Kriegern zu fürchten. Ob sie vor den Wahlen in USA die Straßen stürmen, oder wir an all die aufgeblasenen marsischen Putin, Trump, Kim Jon Un und viele mehr denken. 

Menschen, die nun marsisches Verhalten an den Tag legen, z.B. Waffen zücken, sind nicht im besten Geisteszustand. In diesen Wochen ist der Archetyp des Berserkers am gefährlichsten. Selbst im Lokalteil finden wir in diesen Wochen Meldungen von Männern, die vor lauter Frust in Wut Amok laufen. Eine Lösung gibt es nicht. Doch wir können in Übereinstimmung mit den meisten Astrologen uns am besten weit von solchen Menschen fernhalten, die eine Herausforderung sind. Nutzen wir diese Zeit weise in positiver Weise für uns selbst.

Die Schöne und das wilde Biest

Einer solchen Kampfmaschine ist in der Gesellschaft nicht über lange Zeit zu vertrauen. Die Aufgabe der Rückläufigkeitsphase ist, die maskulinen Impulse wieder zurück zu humanisieren. Der getriebene, streiterische Teil unserer inneren Natur muss wieder Verbindung zum Herzen finden. Das schafft der Krieger nicht aus sich selbst. Dafür braucht es die weibliche Energie. Mars braucht Venus, wobei in dieser Zeit das göttliche Weibliche die Führung übernehmen muss.



Sandro Botticelli hat das exakt in seinem Bild „Venus und Mars“ verewigt als Allegorie auf die Befriedung kriegerischen Handelns durch die Liebe. Die Andeutungen sind genau das, was wir sehen:

Mars schlummert vom Sex mit Venus tief befriedigt im wahrsten Sinne des Wortes. Er ruht in schönster Verletzlichkeit umschmeichelt von ihrem zartrosa Laken. Die kleinen, verschmitzen Satyre spielen derweil fröhlich mit den Waffen des grossen Kriegers. Venus ist nun in der Position der Macht auf dem roten Kissen und wacht über ihn. Was immer wir von ihrem Gesichtsausdruck halten, neugierig, frustriert, nachdenklich oder sogar empört - darüber streiten sich die Kunsthistoriker seit jeher. 

Doch die Botschaft ist eindeutig. Die Liebe, im Sinne Platons als geistige Macht verstanden, hat die Schrecken des Krieges und der Gewalt überwunden. Venus hat Mars gezähmt. 

Die Liebe hat über die Gewalt gesiegt. 

Wer einen Krieger besiegen will, muss ihn mit Schönheit fesseln, sein Herz gewinnen und ihn mit Liebe befrieden. Dieser Mythos ist weit älter als bis ins antike Griechenland. Er ist so alt wie die Menschheit, denn diese Geschichte spielt sich in unserem Inneren ab, in der Dynamik zwischen unserer zivilisierten Energie (Venus) und unserer rohen, wilden Brutalität (Mars). Sollte die rohe animalische Energie zu dieser Zeit der Mars-Rückläufigkeit in uns ausbrechen, wissen wir nun, dass die Venus-Energie das Gegenmittel ist — was immer uns Frieden und Vergnügen schenkt!

Halten wir Ausschau nach Aktivitäten, die unsere Sinne berühren. Alles, was unser Herz erfreut, kann unsere Wildheit besänftigen. Vielleicht lassen wir unsere „becircende Venus“ mal wieder lustvoll tanzen. Ganz allgemein reicht schon, den Blick auf etwas Schönes zu lenken. Verbringen wir Zeit in der Natur, geniessen wir einen Spaziergang nach Feierabend oder buddeln wir lustvoll im Garten. Sanfte Zuwendung, wenn sie von Herzen kommt, hilft auch. Und natürlich auch Sex. Dabei sollten wir bedenken, dass Sex selbst eine machtvolle Metapher ist! Denn dabei dreht sich alles um das Spiel zwischen den Energien der beiden Lebenskräfte. Und es gibt unendlich viele Möglichkeiten und Spielregeln für diesen spielerischen Tanz, was sich durch das Sprichwort ausdrückt: „Das war sogar besser als Sex!“

Der Zauberkessel voll Wasser

Auch die Qualitäten des Wassers sind hilfreich. Wasser ist ein rezeptives Medium. Ein Kessel voll Wasser ist ein Symbol für die wässrige Geborgenheit im Uterus, für die Erfahrung, dort in der Umhüllung sicher und geborgen zu schweben. Und Wasser ist zugleich ein Synonym für die ruhige Atmosphäre, die Wasserlandschaften uns geben. Still und starr ruht der See, mystisch wie die Wasser rund um Avalon. Wer sich in einer solchen Landschaft entspannt treiben lässt, kann sich erlauben verletzlich zu sein, abhängig und voller Vertrauen. Das sind die wichtigsten Eigenschaften eines Menschen, der im Herzen zentriert ist. Nicht umsonst ist SPA, die Badekur schon bei den römischen Legionären populär gewesen. Ein Badetag schenkt uns Ruhe und Raum zum Heilen. Besser als ein Tag Kurzurlaub sind die magischen drei, noch besser drei Wochen Erholungsurlaub statt Abenteuerjagd und Extremsportverausgabung am anderen Ende der Welt.

Das sollten wir als Gesellschaft lernen. Alle zwei Jahre braucht unser innerer Krieger seine 80 Tage Sabbattical. Im Umgang mit unseren eigenen Irritationen und Frustrationen durch Stress braucht es ausreichend Auszeit, damit das innere Feuer sich beruhigen und kühlen kann. Das bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, um nach Innen zu lauschen, bis sich die Betriebstemperatur allmählich von selbst wieder senkt. 

Manchmal heizt dabei unsere innere Aufmerksamkeit das innere, lodernde Feuer noch weiter auf, als würden unsere Gedanken die ganze Geschichte noch zusätzlich anfachen. Dann reden wir mehr im inneren Gespräch, als dass wir uns zuhören. Lernen wir, wieder rezeptiv zu beobachten, zu fühlen, zu spüren, und die eigene Energie zu empfangen, so wie Wasser — ohne Urteil und Bewertung, Ungeduld oder Rechthaberei.

Zauberkessel, Badezuber und Kochtöpfe sind urweibliche Symbole des Umfangens des Inhaltes, der so Raum und zeit bekommt, damit er sich verwandeln kann. Transformation ist auch Regeneration und Heilung. Sobald wir in einen See, ein Becken, eine Badewanne abtauchen, können wir uns fühlen, wie im Schoss von Mutter Erde. Hier bekommen wir, was wir brauchen, Zeit, Raum und Durchatmen. Mutter Natur macht alles andere. Kommen wir zur Ruhe, beobachten wir, wie sich unser Inneres allmählich beruhigt, bis wir spüren, dass wir in einem neuen, gesünderen Zustand treiben. Das ist die Magie des Wassers. Und an Vollmondtagen wirkt die Magie des Wassers übrigens umso intensiver.

Unsere persönliche Mars-Herausforderung

80 Tage ist Mars rückläufig, doppelt so lange wie Venus. Ihre 40 Tage sind in allen Kulturen ein Synonym für die Verwandlung in der Unterwelt. Doch für Mars gibt es keine solchen alten Mythen. Jules Verne hat vor ca. 150 Jahren mit seiner „Reise um die Welt in 80 Tagen“ eine Geschichte geschrieben. Der gesetzte und gelangweilte Gentleman Phileas Fogg liest dort von einer neuen Eisenbahn in Indien, die es ermöglichen soll, die Welt in nur 80 Tagen zu umrunden. Er gerät darüber in Diskussion in seinem Herrenclub und lässt sich zu einer unbesonnenen Wette hinreissen. Er will die Welt in 80 Tagen umrunden, darauf verwettet er sein Glück und 2 Millionen Dollar.

Doch wir wollen ja gar nicht wirklich in 80 Tagen um die Welt zu dieser Zeit (schon gar nicht in Zeiten der Pandemie). Und wir wollen auch nicht, wie bei der Venus-Rückläufigkeit, uns ein Loch buddeln und in die Unterwelt abtauchen. Doch der Begriff „die Welt umrunden“ ist die Metapher, die uns Führung geben wird. Wir wollen in diesen 80 Tagen die Welt umrunden und bereichert an den Ausgangspunkt zurückkehren — die Wette gewinnen. Doch statt Abenteuer in der äusseren Welt, wollen wir das Abenteuer in der inneren Welt suchen, während unser Krieger schlummert.

Jules Vernes Fogg ist ein untypischer, wenig marsischer Held. Seine Reise ist voller verpasster Gelegenheiten, Hindernissen und Fehlschlägen. Die ursprüngliche Nachricht über die indische Eisenbahn war eine Zeitungsente. Seine Reise verlief quälend langsam per Elefant und die Rettung einer Prinzessin, die ihn dann begleitet, verzögert alles noch weiter. In Amerika halten ihn Bisonherden, einstürzende Brücken und wilde Siouxkrieger auf. Fast zuhause wird er fälschlich als Bankräuber verhaftet, wodurch er einen Tag zu spät wieder in London ankommt. All sein Vermögen ist auf der Reise verbraucht. Doch im letzten Moment erkennt er, dass er noch gar nicht 80 Sonnenaufgänge erlebt hat — er ist noch rechtzeitig! Die Sonne rettet ihn, welch Bestätigung, dass Mutter Natur für uns da ist. Jenseits aller Voodoo-Zauber, die unser Ehrgeize veranstaltet, können wir uns immer auf die Natur und ihre Rhythmen verlassen, selbst wenn alles scheinbar schiefläuft.

So fragt uns jede Rückläufigkeit des Mars wunderbarerweise auf ein Neues: 

Wie navigierst Du Dich durch die Gezeiten des Lebens,
wenn Du erschöpft bist?

(Anregungen dazu werden in der nächsten Fortsetzung verraten!) 


Aktionismus bremsen bis November

(Teil I von III)

Rückläufigkeit des Planeten Mars

Die Zeiten, in denen ein Planet rückläufig ist, sind ein Signal, dass die Götter uns durcheinanderwirbeln werden. So lautete die Sage unter den alten Astrologen. Die Energie des Planeten ist in dieser Zeit geschwächt. Die Aktivitäten, die unter seinem Stern stehen, werden nicht so kraftvoll unterstützt wie gewohnt.

Natürlich ist die Rückläufigkeit nur eine Illusion aus der Sicht der Erde. Aber nutzen wir doch Astrologie und Mythen, um für uns die bestmöglichen Illusionen zu erschaffen. Und wenn das Leben tatsächlich die vorhergesagten Schwierigkeiten bringt — gilt das noch lange nicht für jeden von uns. 

Die Rückläufigkeit ist vielmehr ein Signal für ein universelles Energieereignis. Im antiken Mesopotamien wurde sie als zeitliche Botschaft der Götter angesehen. Es unser freier Wille, uns wahlweise bewusst oder unbewusst durch diese Zeiten zu navigieren.

Mars als Symbol

ist der Archetyp des Kriegers. Mars ist der Hüter unseres inneren Feuers, unserer rohen, maskulinen Antriebskraft. Er treibt uns zum Sieg und/oder explodiert in destruktiver Gewalt. Er ist sowohl Beschützer als auch Tyrann.

Während seiner Rückläufigkeit leiden die Themen von Sexualität und Ehrgeiz. Neue Impulse, wie ein neuer Job, ein Projekt, eine Beziehung, werden behindert. Unsere Aktionen laufen gegen die Wand oder verlaufen im Sande. Wir fühlen uns innerlich getrieben, umhergeworfen und ärgerlich oder auch erschöpft und frustriert.

Mars-Rückläufigkeit
(09. September — 13. November 2020)

Alle 25-26 Monate wird Mars für rund 80 Tage rückläufig. Zur Zeit befindet sich Mars in der Rückläufigkeit. Während dieser 80 Tage können alle Aktionen eine Menge Chaos anrichten. Der archetypische Krieger hat gerade nicht seine beste Zeit. Er, der sonst der ultimative Macher ist, braucht nun Ruhe und Rückzug. Alle zwei Jahre braucht er diese Auszeit, um seinen heissgelaufenen Antrieb abzukühlen und sein kampfmüdes Herz zu regenerieren. 

Doch für alle anderen Archetypen in unserer Psyche geht das Leben weiter. Wir müssen im Alltag auch weiterhin handlungsfähig bleiben. Das ist die Realität, die für uns die zentrale Herausforderung der Mars-Rückläufigkeit definiert.
Wie schaffen wir es, die alltäglichen Hürden zu bewältigen, 
solange unser „Macher“ wild, roh oder verletzt, erschöpft und handlungsunfähig ist?
Wie können wir all die Herausforderungen und Anstrengungen erfolgreich erledigen, 
solange unser Krieger ausser Betrieb ist?

Vermeiden wir in dieser Zeit alle Hektik. Keine vorschnellen Aktionen. Erschöpfen wir uns nicht. Vermeiden wir derzeit, wenn möglich, chirurgische Eingriffe. Halten wir uns von Menschen fern, die uns herausfordern. 

Meist taucht tatsächlich in diesen Wochen der Rückläufigkeit des Marses in den Nachrichten ein Ereignis auf, bei dem die Initiative vom Mars total schiefgelaufen ist:

Während der Frühlings-Rückläufigkeit 2014 drehte die Maschine des Fluges 370 der Malaysian Airline kurz nach dem Start vom ursprünglichen Kurs ab, flog einige Stunden jenseits ihrer Route, um dann mysteriös vom Radar zu verschwinden, bis heute ungeklärt — im Schatten der Schwestermaschine, die nur 4 Monate später von ukrainischen Rebellen abgeschossen wurde.

Während der Rückläufigkeit 2018 sass das thailändische Junior-Nationalteam im Fussball während eines Monsunregens in einem Höhlensystem fest. Die Mannschaft trug passenderweise den Spitznamen „ Wild Boars“. Junge Männer, besonders Athleten, Uniformträger wie Militär, Polizei, Einsatzkräfte — sie alle repräsentieren die Energie des Mars. Und all diese waren damals beteiligt an der Rettung der Jungs, von denen die meisten nicht schwimmen konnten. Die Rettung war schwierig, ein Taucher liess dabei sein Leben und die ganze Welt hielt mit den Jungs den Atem an.

Die letzten drei Mars-Rückläufigkeiten waren folgende:

2020:  09. September — 14. November

2018:  26. Juni — 27. August

2016:  17. April — 29. Juni

Vielleicht wecken diese Daten signifikante Erinnerungen in uns? Doch es ist ebenso wahrscheinlich, dass wir keine besonderen Erinnerungen damit verbinden. Die meisten Ereignisse während der Rückläufigkeiten sind indes wesentlich undramatischer. Und genau das ist wunderbar ernüchternd, falls wir in Sorge geraten, was um Himmels willen uns wohl diesmal zustossen mag. Denn nicht alle Aktivitäten werden scheitern. Sollten wir dennoch in dieser Phase ein Projekt am Laufen haben, brauchen wir uns nicht unnötig zu sorgen. Achten wir einfach etwas mehr auf unseren inneren Krieger.

Die negativen Prophezeiungen beschreiben vielmehr das, was viele Menschen erleben, wenn deren marsische Funktion erschöpft ist. Meist fühlen wir uns dann schwerfällig, ungeschickt, zerbrechen Dinge, schneiden uns selbst ins Fleisch statt das Gemüse, geraten auf ebener Fläche plötzlich ins Straucheln. Auch das sind göttliche Nachrichten. Doch was sagt uns der Gott Mars damit nur? 

Die Rückkehr des Kriegers

Kein Krieger kann unbegrenzt an vorderster Front stehen. Auch wenn es Mars Natur ist, vor Aktivität zu strotzen, zu handeln und vom Ehrgeiz angespornt, seinen König mit Siegen zu erfreuen. Mars mit all seiner Energie und Mut dient unserer archetypischen Sonne, unserem Ego. Er schützt unsere Grenzen und erfüllt unsere Pläne. Er ist der Pfadfinder. Er treibt uns voran mit seinem Enthusiasmus und brennendem Verlangen.

Doch alle 2 Jahre braucht auch er eine Auszeit, er muss regenerieren und sich zurückziehen. Treiben wir ihn zu hart an, dann zerbricht auch er. Während dieser Rückläufigkeit können wir den rötlich schimmernden Planeten Mars am Abendhimmel beobachten, wie er sich im Bogen auf seinem Zickzackkurs vom Schlachtfeld entfernt. Doch entsprechend seinem Wesen nimmt er dabei zwar jedesmal einen leicht anderen Verlauf, aber er kehrt immer gradewegs nach Hause zurück, heim, woher er kam.

Rücklaufende Venus im Vergleich

Ganz anders die Venus in ihrer Rückläufigkeit, die uns ein wunderschönes Spektakel am Himmel zeigt. Zuerst verschwindet sie als Abendstern vom Nachthimmel und taucht im Westen in die Unterwelt ab. Dann erscheint sie strahlend als Morgenstern gegenüber im Osten. Ihre Zeit der Rückläufigkeit fordert uns zu Transformation auf. Ihr Ärger in dieser Zeit ist tief und hat sich unter der diplomatischen Fassade von Zustimmung lange angesammelt. Die Aufgabe der Venus Rückläufigkeit heisst Transformation, um durchdringende Veränderung in Gang zu bringen. Daher taucht sie kämpferisch auf.

Die martialische Wut hat nicht diesen Tiefgang. Mars testet unsere Meisterschaft über die Emotionen. Während der Rückläufigkeit kann seine Rage ebenso gefährlich zuschlagen wie die Wildfeuer, die von Menschen verursacht durch ungewöhnliche Stürme angefacht zur Zeit wüten, dass ganze Städte und Regionen in Schutt und Asche verwandelt werden. 

Unbewusster Aktionismus in dieser Zeit kann mächtig nach hinten losgehen. Er ist das heissgelaufene Feuer und Überdruck in einer Kampfmaschine, deren Ausschalter defekt ist. Es ist roheste Kraft, in einem fragilen Behälter, der droht bei jeder Kleinigkeit zu bersten. Der erschöpfte Krieger hat die Selbstkontrolle über seine Impulse verloren. 

So wie beim Tennisstar Djokovic, der Nummer 1 der Weltrangliste, der kürzlich vom Platz verwiesen wurde, während Mars stationär in die Rückläufigkeit ging. Es war eine Kleinigkeit. Er hat den Aufschlag verloren, war gefrustet und prügelte verärgert den Ball so hart, dass der versehentlich eine Linienrichterin an der Kehle traf. Sie ging in die Knie und seine 29 Spiele dauernde Siegesträhne endete abrupt.


2. Oktober 2020

Der Spiegel des Metalls

 Begrenzen und Austausch über Grenzen hinweg

Jede Grenze ist auch eine Austauschmöglichkeit. So wie Staaten an ihrer Grenze wirtschaftlichen Handel treiben oder an den Grenzflächen unserer Lungen Sauerstoff aufgenommen und Co2 abgegeben wird, es geht immer um Annehmen und Loslassen. 

Auch unser Abwehr-Qi und das Immunsystem schützen unseren Grenzbereiche. Sowohl auf der körperlichen Ebene ist es wichtig zu regulieren, welche Energien wir aufnehmen und abgeben. Aber auch auf der mentalen und emotionalen Ebene ist unsere Aufnahmefähigkeit begrenzt. Überschreiten wir die Grenzen unserer Belastbarkeit auf welcher Ebene auch immer, dann gerät unser Organismus unter Stress. Dann müssen wir uns schleunigst begrenzen, am besten bevor wir Schaden begrenzen müssen.

Wann immer eine Grenze erreicht wird, stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Wir haben wieder die Wahl. Manche Grenzen schützen (uns/andere), geben (uns /anderen) einen geschützten Raum. Andere engen uns ein, fordern uns heraus, sie zu überwinden. In dem wir diese Grenze zunächst respektieren und uns bewusst machen, können wir entscheiden, welche Verhaltensweise für uns angemessen sein mag.

Ausgrenzung ist ein Schutzmechanismus

Wir grenzen uns ab und etwas aus, das uns bedroht. Doch oft bedroht uns etwas, das schlicht unbekannt und damit nicht einschätzbar ist. Aus Angst begrenzen wir uns. Wer andere ausgrenzt, beschränkt sich immer auch selbst. Unsere bisherig gemachten Erfahrungen helfen uns nicht weiter in Bezug auf Unbekanntes. Wir müssen bereit sein über den Tellerrand hinaus zu schauen. Wir müssen uns immer wieder für Grenzerfahrungen öffnen, damit wir dem Neuen, dem ewigen Wechsel und Wandel des Lebens begegnen können. Zumindest Information sollten wir bereit sein auszutauschen, um ein Leben lang lernen zu können. Denn das Leben fordert von uns ständig Neuanpassung auf sich verändernde Umstände.

Sicherlich müssen wir nicht jede Grenze überwinden. Manchmal dürfen wir auch bewusst auf Abstand gehen und für uns die Grenze ziehen. Bis hierhin und nicht weiter. Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.

Grenzflächen sind Spiegel-/Projektionsflächen

Die Fähigkeit der Reflexion ist die Qualität des Metalls. Es dient uns als Spiegel. Doch jeder Spiegel kreiert nichts Neues, sondern reflektiert den, der ihn ihn blickt. „Spieglein, Spieglein an der Wand…“ — Huch, wir sehen immer uns selbst:

Alle Welt ist im Widerstand. Die Leute regen sich auf, protestieren, demonstrieren gegen alles Mögliche. Die einen zeigen auf Trump, Putin, Merkel. Die anderen sind gegen Covid, gegen Masken, gegen die Beschränkung ihrer Freiheit. Die nächsten gegen die Polizei, gegen Lobby, gegen Impfpflicht. Und wieder andere sind gegen Demokratie, gegen Asylanten, gegen Linke, gegen Rechte, gegen Kapitalismus, contra Sozialismus…

Alle Welt ist gegen Etwas. Gegen etwas zu sein, das ist so schön einfach. Da kann man protestieren, demonstrieren, schimpfen. In der gesichtslosen Masse an Demonstranten kann jeder laut schreien und sich hinter Plakaten verstecken oder mit Parolen oder gar Steinen um sich schmeissen. Denn es sind ja immer die Anderen. Mit dem Protest delegieren wir die Verantwortung weit weg von uns selbst. Wir schieben es auf einen Sündenbock, wie der auch immer heissen mag: der Spahn, die Regierung, die big Pharma, die Bullen, die Islamisten, die Polacken, der Judsche, die Nigger ach, auch die Saupreussen,… 

Widerstand erzeugt destruktive Gewalt

Widerstand bedeutet sich gegen etwas zu stemmen. Widerstand erzeugt Widerstand. Noch mehr Widerstand erzeugt Gewalt. Gewalt ist immer destruktiv. Und sobald wir auf andere zeigen, deuten drei Finger immer auf uns selbst. Zu 3/4 ist es jedoch unsere eigene Verantwortung, die der Andere uns zurückspiegelt. 

Verflixt, diese Sichtweise ist unbequem. Dann müsste man nämlich eine fundierte Meinung haben. Doch die muss man sich erarbeiten, in dem man nicht nur Parolen schreit, sondern Informationen einholt. Dann muss man auch anderen Meinungen zuhören, andere Perspektiven ergründen, sich mit ihnen beschäftigen (statt nur gegen sie zu sein) — sie möglicherweise sogar als berechtigt zulassen. 

Dazu müssen wir das eigene Ego zurücknehmen, auf das drei Finger zeigen. Dann wären wir mit unserer Meinung statt  "gegen alles" nun "FÜR" etwas Konkretes. Statt die ganze Energie in destruktiven Widerstand zu verballern, könnten wir dann eine Menge Energie in konstruktive Taten umsetzen. Dazu müssen wir uns allerdings selbst bewegen. Wenn uns etwas stinkt, können wir uns engagieren für eine bessere Zukunft!

Der bequemere Weg ist, unsere Erwartungen, Ängste, Sorgen auf die anderen projizieren. Es ist eine sehr kindlich unreife Weise, wenn immer die anderen „schuld“ an der Misere sind. Und all die rebellischen Parolen, die da gebrüllt werden, klingen doch letztlich auch ziemlich kindisch, wenn wir ehrlich sind.

Reflektieren üben!

Doch es bleibt unser eigenes Thema. Der weise, erwachsene Umgang damit wäre, das zu bemerken. Ach ja, einen Moment innehalten und reflektieren! Z.B. in dem wir unseren Vorwurf umwandeln:

  1. „Mich stört am Anderen XY“ 
    Gelten nicht auch irgendwie zugleich folgende Sätze?
  2. „Den anderen stört XY an mir!
  3. „Mich stört XY an mir selbst!“

Die letzte Variante dürfen wir getrost dem anderen selbst überlassen, nämlich:

  1. Ihn stört XY an sich selbst…

Das funktioniert übrigens mit allen Subjekt-Objekt-Sätzen, z.B.
„Ich hasse meinen Ex-Mann“,
„Mein Chef/Lehrer behandelt mich ungerecht“,
„In meinen Augen sind alle Bullen Schweine“,
„Ich habe Angst vor Asylanten/Kommunisten/Radikalen“,
„Ich erwarte Respekt von meinem Sohn“,
„Meine Frau betrügt mich“,
„Mein Kollege enttäuscht mich“

Und dann nehmen wir uns Zeit, diese drei Sätze zu ergründen. Was fällt uns aus der jeweiligen Perspektive dazu ein? Machen wir doch zunächst einmal ein brainstorming. Und dann können wir weiter überlegen, welcher der gefundenen Punkte wahr ist, vielleicht nur ein Körnchen Wahrheit enthält, welcher weniger, welcher mehr oder weniger wichtig ist. Manchmal ist durchaus auch fruchtbar, diese Sätze mit dem Anderen zu klären. Oft werden wir erstaunt sein, was der Andere uns dazu zu sagen hat.

Durch Projektionen der Anderen sind wir nur dann verletzlich, wenn wir einen wunden Punkt haben. Doch selbst damit haben wir die Wahl. Wir können zulassen, dass sich immer wieder ein Finger auf unsere offene Wunde legt. Oder wir kümmern uns selbst um unsere wunden Bereiche, bis sie abheilen und vernarben. Wann immer uns ein Urteil, eine Bewertung, eine Kritik schmerzlich trifft, haben wir die Wahl. 

Wir können uns entweder weiterhin davon verletzten lassen. Wir können das sogar noch fleissig verstärken, in dem wir unseren inneren Kritikern erlauben, die Vorwürfe und Erwartungen der anderen noch durch Schuldgefühle und Selbstvorwürfe zu verstärken. Kommt Ihnen das bekannt vor? Es ist ein allzu menschlicher Mechanismus. 

Heilmittel:
entwaffnende Freundlichkeit
und bedingungsloser Respekt

Stattdessen können wir aber auch schleunigst alle verfügbare Freundlichkeit und bedingungslosen Respekt in unserem Herzen aktivieren, um die verletzende Schärfe zu entwaffnen. Gehen wir dann zusätzlich bewusst in obige Übung hinein, können wir die übrig gebliebenen Krümel der Kritik nutzen, um damit unser Ego zu polieren. 

So bringen wir im Laufe der Zeit unseren Selbstwert und unsere Selbstlosigkeit zum strahlen.