14. März 2022

Shui dao, der Weg des Wassers

 

Wir brauchen schöpferisches Chaos!

Die erste Lektion, die uns die Romantiker hinterlassen haben, lautet, dass wir alle Zugang zum kreativen Chaos haben. Wir alle sind in der Lage, unser Ego für eine Weile sterben zu lassen und in die Tiefen des Chaos zu tauchen, aus dem ständig neue Formen und Strukturen heraufsprudeln.

Die größte Leistung unseres schöpferischen Intellekts erbringt er keineswegs in Kunst oder Wissenschaft. Sie liegt in der alltaglichen Kunst des spontanen Handelns, mit der wir unsere Gesellschaft zusammenhalten. Doch im Gegensatz zu diesem Satz fühlen sich die meisten von uns eben nicht kreativ. Die meisten blocken die schöpferischen Aktionen ständig ab. Wir verlieren uns selbst in unserer Obsession nach Kontrolle und Macht; in unserer Angst vor Fehlern; lassen uns vom Ego fast erwürgen; trauen uns nicht aus der Bequemlichkeit der Komfortzone; einen Genuss nach dem anderen abgestumpft konsumierend. 

Das ist alles andere als ein Zustand von Freiheit und Wahrheit!

Doch sobald wir unseren Blick weiten, öffen für die Welt jenseits der Scheuklappen, erleben wir die Wahrheit, werden wir schöpferisch und frei. Hier finden wir unser wahres Selbst.

Shui dao, der Weg des Wassers

So wie Wasser sich mäandernd seinen Weg durch die Landschaft sucht und  schafft; wie es sich den Gegebenheiten anpasst; die großen Felsbrocken umfliesst, die kleinen Steine zu seinem Bett verschiebt und die weiche Erde formt - das ist der Schlüssel!

Schöpferische Aktivität macht sich zunutze, was verfügbar ist. Es organisiert sich selbst, passt sich an wie Wasser. Das müssen wir Menschen lernen.

Meist lassen wir diese schöpferische Würdigung der Lebenskraft nur dann zu, wenn in unserem Leben enorme Unsicherheit überhand nimmt. Doch sie existiert in jedem Moment. Wir können jetzt sofort sterben und loslassen: all die Vorurteile, mechanischen Verhaltensweisen, die Isolation, das uns teuer gewordene Ego, unser Welt- und Selbstbild, die Vorstellung von unserem Leben und der Zukunft.

Was für die Raupe das Ende der Welt bedeutet,
ist für den Rest der Welt ein Schmetterling. (Laozi)

Dann, nur dann, kann im Prozess des natürlichen Stirb und Werde etwas Neues wachsen, vielleicht eine Überraschung, sogar etwas Einzigartiges. Doch darum geht es nicht zwingend. Tatsächlich braucht Kreativität das  Eintauchen in das Chaos, um etwas Bekanntes wiederzuentdecken.  Plötzlich erkennen wir im Alltäglichen die Wiederkehr von neuen Möglichkeiten, die Frische jeden Morgens, die wir schon so lange nicht mehr wahr genommen haben.