27. September 2010

Keine Antibiotika-Verschreibung bei Atemwegsinfekten!


Selbst bei bakteriell bedingten Atemwegsinfektionen mit nachgewiesener Streptokokken-Besiedlung wird von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) von routinemässiger Antibiotikum-Gabe abgeraten, weil hierzulande wirklich schwere Verläufe kaum stattfinden2. Stattdessen empfiehlt die neue S3-Leitlinie "Halsschmerz" bei Mandel- oder Rachenentzündungen, Angina und Sinusitis die symptomatische Behandlung der Halsschmerzen und die Unterstützung des Immunsystems.

Eine Fachveröffentlichung1 zeigte, dass in NRW viele Ärzte weiterhin Antibiotika bei Atemwegsinfekten verordnen, obwohl sie selbst nicht vom Nutzen überzeugt sind. Warum werden also weiterhin Antibiotika wider besseres Fachwissen verschrieben?

Die Ärzte nennen oft Verordnungsdruck seitens ihrer Patienten als Grund. Ohne die Verordnung verschreibungspflichtiger Antibiotika fühlten sich viele Patienten nicht ernst genug genommen, bzw. glauben viele Patienten, nur ein Antibiotikum könne Heilung bringen. Bei der gleichzeitigen Befragung der Patienten jedoch zeigte sich, dass die meisten Patienten kein Antibiotikum nehmen wollten. Es scheint eine ernsthafte Fehlkommunikation zwischen Arzt und Patienten vorzuliegen.

Wichtiger als der Rezeptblock wäre also die Aufklärung der Patienten für ein besseres Verständnis, dass Symptome auch ihren Sinn haben (so entfernt z.B. Husten Krankheitserreger) und angstfreier Umgang mit der Erkrankung.

Der unkritische Umgang mit Antibiotika führt immer mehr zu unerwünschter Resistenzbildung der Erreger. Bei lebensbedrohlichen Infekten fehlen dann zunehmend wirkungsvolle Mittel gegen die multiresistenten Keime. Zudem kommt es durch die Antibiotikum-Gabe durch die unspezifische Abtötung lebenswichtiger Darmbakterien zur weiteren Schwächung des Immunsystems.

Zusätzlich leiden zwei bis 25 Prozent mit Antibiotika behandelter Patienten unter Durchfall, wobei diese Clostridium-difficile-assoziierte Erkrankungen ein zunehmendes Problem werden. Ein neuer hoch virulenter C.-difficile-Stamm hat die Übertragbarkeit, Heftigkeit der Beschwerden und Letalität dieser Infektion erheblich gesteigert. Die Symptome reichen von mäßiger Diarrhoe bis hin zur schweren Kolitis mit Bauchkrämpfen, Fieber, Leukozytose, Hypoalbuminämie infolge des Eiweißverlustes, Exsikkose und nicht zuletzt Elektrolyt-Entgleisungen. Die Beschwerden treten in der Regel drei bis zehn Tage nach Beginn der antibiotischen Therapie auf. Bei jedem dritten Betroffenen stellt sich Durchfall jedoch erst nach Wochen ein. Besteht Verdacht auf eine Antibiotika-assoziierte Clostridien-Infektion, ist das Antibiotikum sofort abzusetzen. Bessert sich das Krankheitsbild unter den genannten Maßnahmen nicht binnen drei Tagen, sind die Clostridien mittels Antibiotika auszurotten. Die Entwicklung neuer Antibiotika ist wegen der zunehmenden Resistenz unerlässlich.

Statt sich von ihrem Arzt ein Antibiotikum verschreiben zu lassen, ist der Patient zunächst gefordert, selbst aktiv zu werden:

  • für Ruhe und Schonung zu sorgen!
    1-2 konsequente (Bett-)Ruhetage wirken Wunder!
  • sich ggfs. krank schreiben zu lassen, statt Kollegen und Kunden anzustecken
  • nebenwirkungsarme Medikamente und Hausmittel einzusetzen
    (Hühnersuppe, Erkältungsbad, Brust- und Fieberwickel, Einreibungen etc.),
    diese lindern die Symptome und unterstützen das Immunsystem

1 A. Altiner, "Antibiotikaverschreibung bei Atemwegsinfekten in der Praxis - Neue Konzepte", 105. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Mannheim, 2009

2 B. Fessler, "Antibiotika bei Streptokokken-A-Infekt nicht routinemässig", Deutsche Apotheker-Zeitung 04.03.2010; 150:50-52