6. Februar 2015

Der alte Mann und der Arzt


Ein alter Mann ist beim Arzt.

"Ich kann nicht mehr richtig denken."
    "In Ihrem Alter ist mentale Schwäche normal."

"Manchmal sehe ich schwarze Punkte."
    "Das ist das Alter, mein Herr."

"Mein Rücken ist steif und tut weh."
    "Das Alter."

"Ich kann mein Essen nicht mehr verdauen."
    "Auch Verdauungsstörungen sind altersbedingt."

"Manchmal kann ich nicht mehr richtig atmen."
    "Asthma. Im letzten Lebensabschnitt
    tauchen 200 Krankheiten auf."

"Idiot!" schreit der alte Mann,
"Haben Sie auf alles nur eine Antwort?
Sie scheren ja alles über den gleichen kamm!
Haben Sie nicht mehr über Medizin gelernt?
Wissen Sie nicht, dass Gott für jeden Schmerz
ein Heilmittel geschaffen hat, Sie Quacksalber?"

Darauf der Arzt: "Spontanaggressionen
sind symptomatisch für über Sechzigjährige."

Sprachlos schnappt der Alte nach Luft und geht.

Nicht alle älteren Herren und Ärzte sind so.

Gesegnete mögen äusserlich altern,
innerlich werden sie jung.
Sie leben die Auferstehung.

Warum sollten sie sich
um die Ränke der Welt Gedanken machen?
Um all den Hass und die Heldentaten?

Ihr Innerstes
ist die Liebe eines Seelenführers.

Dort lebt Gott.

(Die Worte des Mystikers Rumi aus dem 13. Jhdt.
sind wie Balsam für unsere Seelen.
Aus Rumi, "Die Musik die wir sind", Arbor-Verlag)