3. Oktober 2020

Unsere Herausforderung bis November

 (Teil II von III)

Was passiert, wenn der Krieger keine Ruhe findet?

Athleten sind marsische Krieger. Erinnern wir uns doch an die olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 während der Mars-Rückläufigkeit. Schon vor Beginn sorgte ein georgischer Rodler mit seinem fatalen Unfall für Furore. Bei der Eröffnungszeremonie gelang es dem grossen Wayne Gretzky nicht, das vierte Bein des olympischen Feuerkessels zu entzünden. Statt der erwarteten 5 Goldmedaillen holte sich die weltbeste Skiläuferin mehrere ernsthafte Brüche. Der phänomenale Eisschnellläufer wurde auf dem Weg zu Gold vom Trainer auf die falsche Bahn geleitet und disqualifiziert. 

Stattdessen wurde Curling zum Publikumsliebling: diese Sportart entspricht mit ihrer Ruhe perfekt Mars im Rückzug. Wenn erwachsene Männer brüllend Steine in Richtung Zielkreise anschieben, während die Teamkameraden wie irre das Eis schrubben, ist das auf kuriose Weise sehr beruhigend.

Jetzt, während der 2020 Rückläufigkeit, haben wir alle Gründe, uns vor wildgewordenen Kriegern zu fürchten. Ob sie vor den Wahlen in USA die Straßen stürmen, oder wir an all die aufgeblasenen marsischen Putin, Trump, Kim Jon Un und viele mehr denken. 

Menschen, die nun marsisches Verhalten an den Tag legen, z.B. Waffen zücken, sind nicht im besten Geisteszustand. In diesen Wochen ist der Archetyp des Berserkers am gefährlichsten. Selbst im Lokalteil finden wir in diesen Wochen Meldungen von Männern, die vor lauter Frust in Wut Amok laufen. Eine Lösung gibt es nicht. Doch wir können in Übereinstimmung mit den meisten Astrologen uns am besten weit von solchen Menschen fernhalten, die eine Herausforderung sind. Nutzen wir diese Zeit weise in positiver Weise für uns selbst.

Die Schöne und das wilde Biest

Einer solchen Kampfmaschine ist in der Gesellschaft nicht über lange Zeit zu vertrauen. Die Aufgabe der Rückläufigkeitsphase ist, die maskulinen Impulse wieder zurück zu humanisieren. Der getriebene, streiterische Teil unserer inneren Natur muss wieder Verbindung zum Herzen finden. Das schafft der Krieger nicht aus sich selbst. Dafür braucht es die weibliche Energie. Mars braucht Venus, wobei in dieser Zeit das göttliche Weibliche die Führung übernehmen muss.



Sandro Botticelli hat das exakt in seinem Bild „Venus und Mars“ verewigt als Allegorie auf die Befriedung kriegerischen Handelns durch die Liebe. Die Andeutungen sind genau das, was wir sehen:

Mars schlummert vom Sex mit Venus tief befriedigt im wahrsten Sinne des Wortes. Er ruht in schönster Verletzlichkeit umschmeichelt von ihrem zartrosa Laken. Die kleinen, verschmitzen Satyre spielen derweil fröhlich mit den Waffen des grossen Kriegers. Venus ist nun in der Position der Macht auf dem roten Kissen und wacht über ihn. Was immer wir von ihrem Gesichtsausdruck halten, neugierig, frustriert, nachdenklich oder sogar empört - darüber streiten sich die Kunsthistoriker seit jeher. 

Doch die Botschaft ist eindeutig. Die Liebe, im Sinne Platons als geistige Macht verstanden, hat die Schrecken des Krieges und der Gewalt überwunden. Venus hat Mars gezähmt. 

Die Liebe hat über die Gewalt gesiegt. 

Wer einen Krieger besiegen will, muss ihn mit Schönheit fesseln, sein Herz gewinnen und ihn mit Liebe befrieden. Dieser Mythos ist weit älter als bis ins antike Griechenland. Er ist so alt wie die Menschheit, denn diese Geschichte spielt sich in unserem Inneren ab, in der Dynamik zwischen unserer zivilisierten Energie (Venus) und unserer rohen, wilden Brutalität (Mars). Sollte die rohe animalische Energie zu dieser Zeit der Mars-Rückläufigkeit in uns ausbrechen, wissen wir nun, dass die Venus-Energie das Gegenmittel ist — was immer uns Frieden und Vergnügen schenkt!

Halten wir Ausschau nach Aktivitäten, die unsere Sinne berühren. Alles, was unser Herz erfreut, kann unsere Wildheit besänftigen. Vielleicht lassen wir unsere „becircende Venus“ mal wieder lustvoll tanzen. Ganz allgemein reicht schon, den Blick auf etwas Schönes zu lenken. Verbringen wir Zeit in der Natur, geniessen wir einen Spaziergang nach Feierabend oder buddeln wir lustvoll im Garten. Sanfte Zuwendung, wenn sie von Herzen kommt, hilft auch. Und natürlich auch Sex. Dabei sollten wir bedenken, dass Sex selbst eine machtvolle Metapher ist! Denn dabei dreht sich alles um das Spiel zwischen den Energien der beiden Lebenskräfte. Und es gibt unendlich viele Möglichkeiten und Spielregeln für diesen spielerischen Tanz, was sich durch das Sprichwort ausdrückt: „Das war sogar besser als Sex!“

Der Zauberkessel voll Wasser

Auch die Qualitäten des Wassers sind hilfreich. Wasser ist ein rezeptives Medium. Ein Kessel voll Wasser ist ein Symbol für die wässrige Geborgenheit im Uterus, für die Erfahrung, dort in der Umhüllung sicher und geborgen zu schweben. Und Wasser ist zugleich ein Synonym für die ruhige Atmosphäre, die Wasserlandschaften uns geben. Still und starr ruht der See, mystisch wie die Wasser rund um Avalon. Wer sich in einer solchen Landschaft entspannt treiben lässt, kann sich erlauben verletzlich zu sein, abhängig und voller Vertrauen. Das sind die wichtigsten Eigenschaften eines Menschen, der im Herzen zentriert ist. Nicht umsonst ist SPA, die Badekur schon bei den römischen Legionären populär gewesen. Ein Badetag schenkt uns Ruhe und Raum zum Heilen. Besser als ein Tag Kurzurlaub sind die magischen drei, noch besser drei Wochen Erholungsurlaub statt Abenteuerjagd und Extremsportverausgabung am anderen Ende der Welt.

Das sollten wir als Gesellschaft lernen. Alle zwei Jahre braucht unser innerer Krieger seine 80 Tage Sabbattical. Im Umgang mit unseren eigenen Irritationen und Frustrationen durch Stress braucht es ausreichend Auszeit, damit das innere Feuer sich beruhigen und kühlen kann. Das bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, um nach Innen zu lauschen, bis sich die Betriebstemperatur allmählich von selbst wieder senkt. 

Manchmal heizt dabei unsere innere Aufmerksamkeit das innere, lodernde Feuer noch weiter auf, als würden unsere Gedanken die ganze Geschichte noch zusätzlich anfachen. Dann reden wir mehr im inneren Gespräch, als dass wir uns zuhören. Lernen wir, wieder rezeptiv zu beobachten, zu fühlen, zu spüren, und die eigene Energie zu empfangen, so wie Wasser — ohne Urteil und Bewertung, Ungeduld oder Rechthaberei.

Zauberkessel, Badezuber und Kochtöpfe sind urweibliche Symbole des Umfangens des Inhaltes, der so Raum und zeit bekommt, damit er sich verwandeln kann. Transformation ist auch Regeneration und Heilung. Sobald wir in einen See, ein Becken, eine Badewanne abtauchen, können wir uns fühlen, wie im Schoss von Mutter Erde. Hier bekommen wir, was wir brauchen, Zeit, Raum und Durchatmen. Mutter Natur macht alles andere. Kommen wir zur Ruhe, beobachten wir, wie sich unser Inneres allmählich beruhigt, bis wir spüren, dass wir in einem neuen, gesünderen Zustand treiben. Das ist die Magie des Wassers. Und an Vollmondtagen wirkt die Magie des Wassers übrigens umso intensiver.

Unsere persönliche Mars-Herausforderung

80 Tage ist Mars rückläufig, doppelt so lange wie Venus. Ihre 40 Tage sind in allen Kulturen ein Synonym für die Verwandlung in der Unterwelt. Doch für Mars gibt es keine solchen alten Mythen. Jules Verne hat vor ca. 150 Jahren mit seiner „Reise um die Welt in 80 Tagen“ eine Geschichte geschrieben. Der gesetzte und gelangweilte Gentleman Phileas Fogg liest dort von einer neuen Eisenbahn in Indien, die es ermöglichen soll, die Welt in nur 80 Tagen zu umrunden. Er gerät darüber in Diskussion in seinem Herrenclub und lässt sich zu einer unbesonnenen Wette hinreissen. Er will die Welt in 80 Tagen umrunden, darauf verwettet er sein Glück und 2 Millionen Dollar.

Doch wir wollen ja gar nicht wirklich in 80 Tagen um die Welt zu dieser Zeit (schon gar nicht in Zeiten der Pandemie). Und wir wollen auch nicht, wie bei der Venus-Rückläufigkeit, uns ein Loch buddeln und in die Unterwelt abtauchen. Doch der Begriff „die Welt umrunden“ ist die Metapher, die uns Führung geben wird. Wir wollen in diesen 80 Tagen die Welt umrunden und bereichert an den Ausgangspunkt zurückkehren — die Wette gewinnen. Doch statt Abenteuer in der äusseren Welt, wollen wir das Abenteuer in der inneren Welt suchen, während unser Krieger schlummert.

Jules Vernes Fogg ist ein untypischer, wenig marsischer Held. Seine Reise ist voller verpasster Gelegenheiten, Hindernissen und Fehlschlägen. Die ursprüngliche Nachricht über die indische Eisenbahn war eine Zeitungsente. Seine Reise verlief quälend langsam per Elefant und die Rettung einer Prinzessin, die ihn dann begleitet, verzögert alles noch weiter. In Amerika halten ihn Bisonherden, einstürzende Brücken und wilde Siouxkrieger auf. Fast zuhause wird er fälschlich als Bankräuber verhaftet, wodurch er einen Tag zu spät wieder in London ankommt. All sein Vermögen ist auf der Reise verbraucht. Doch im letzten Moment erkennt er, dass er noch gar nicht 80 Sonnenaufgänge erlebt hat — er ist noch rechtzeitig! Die Sonne rettet ihn, welch Bestätigung, dass Mutter Natur für uns da ist. Jenseits aller Voodoo-Zauber, die unser Ehrgeize veranstaltet, können wir uns immer auf die Natur und ihre Rhythmen verlassen, selbst wenn alles scheinbar schiefläuft.

So fragt uns jede Rückläufigkeit des Mars wunderbarerweise auf ein Neues: 

Wie navigierst Du Dich durch die Gezeiten des Lebens,
wenn Du erschöpft bist?

(Anregungen dazu werden in der nächsten Fortsetzung verraten!)